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~> Es ist so eine Art Obsession, glaube ich. Das Schreiben fasziniert mich so sehr, daß, wenn es mir verboten würde, ich langsam daran sterben würde. <~
[Zitat von Johannes Mario Simmel]
Wir schreiben das Jahr 2062. Ein paar umherschweifende Blicke durch die vor uns liegende Stadt lassen uns erahnen, dass wir wenige Atemzüge vor der Hauptstadt stehen. Zwei, drei Schritte – ich bin in Berlin. Drücke ein altes, ausgeblichenes, zerknicktes Bild an mein Herz. „Hauptmetropole Berlin“ lese ich auf dem Schild neben mir. Einige 100 Meter weiter in die Stadt hinein, wir sehen riesige Hochhäuser, Straßen, beleuchtet durch Lichter im Boden – alle zwei Meter. Es gibt keine schmutzigen Abgase, nur noch mit Wasserstoff angetriebene, 1,5 Meter über dem Erdboden schwebende Autos. Es sind keine Kabel, keine Leitungen weit und breit zu sehen. Doch auch Treppen scheinen hier ihre Notwendigkeit verloren zu haben. Ich laufe weiter durch die Straßen, mache Halt. Eine Ratte läuft in eine kleine Gasse hinein, erschrickt – es wird rund herum hell – Bewegungssensoren. Kopfschüttelnd gehe ich weiter die riesige Hauptstraße entlang, bleibe hier und da stehen, schaue hinauf in den Himmel. Es gibt keine Sterne. Es ist Winter, kurz nach Mitternacht, aber nirgends ein Stern zu sehen. Ich war lange nicht hier. Die Stadt hat sich verändert. Keine grüne Wiese, kein Baum, nicht einmal ein Vogel ist zu sehen. Schweigend gehe ich weiter, frage nach dem Weg. Ich bin unpünktlich – war ich immer. Beruhigung setzt ein, es gibt etwas, was sich nicht geändert hat. Endlich sehe ich das digital angezeigte Straßenschild „Lipton-Street“. Erinnerungen überkommen mich, hieß die Straße nicht einmal „Köpenicker“? Lautlos gehe ich weiter, suche Nummer 45a. Meine Knochen sind nicht mehr die jüngsten – ich verschnaufe kurz, sehe mich um. Es sind keine Bänke zu sehen, hält denn niemand mehr eine Pause in dieser Stadt? Wie ich dort stehe, sehe ich junge Menschen an mir vorbeihasten, keinen Blick zur Seite werfend, still, aber flott ihren Weg gehend. Wieder verfalle ich in meine Gedanken, kalt und gefühllos ist diese Stadt geworden. Kein bisschen der damaligen Wärme und Individualität ist mehr geblieben. Ich erkenne mein geliebtes Berlin nicht mehr wieder. Wieder ziehe ich das von der Zeit markierte Bild aus der Jackentasche und halte es in meinen alten, zitternden Händen. Dazu einen gelblichen Brief, ich muss gedankenverloren lächeln. War ich so lange fort? Endlich laufe ich weiter, erkenne die Nummer, drücke meinen zitternden Finger auf die Klingel. Sehe mir meine Hände an, Narben der Zeit auf ihnen sehend, lächle ich. Ich höre laute Musik aus dem Hause, vor dem ich wartend stehe. Die Tür geht einen Spalt weit auf. Eine kleine Hand schiebt sich hervor und kurz danach kommt ein kleines, rundes Kindergesicht zum Vorschein, was mir lächelnd die Wärme in mein Herz zurückbringt. Langsam kommt das Kleine aus der Tür getreten und läuft wankenden Schrittes auf das Tor zu – eine Fernbedienung in der Hand haltend. Mit seinen kleinen Fingerchen drückt es einen Knopf auf der Fernbedienung – das Tor öffnet sich. Verwirrt nach dem eben eingetretenen, doch trotzdem froh, schließe ich das kleine Bündel in die Arme. Die kleinen Hände umklammern mich, da ist es – das Gefühl der Individualität, welches so verloren geglaubt war. Mit dem Kleinen im Arm laufe ich die paar Schritte zur Haustür. Lachend kommt mir ein schlanker, dunkelhaariger Mann mittleren Alters entgegen. Freudig nimmt auch er mich in die Arme. „Schön, dass du gekommen bist, Mama.“, höre ich ihn sagen und lächle wieder. Plötzlich umringen mich so viele Leute, so viele Gesichter. „Lange nicht gesehen.“ „Oh Großmama.“ „Erzähl, wie ist es dir ergangen!“
So viele Fragen, dabei würde ich mich doch so gerne erst einmal setzen. Ich schaue durch die Wohnung, mein geübter Blick erkennt tausende Details. Jede Winzigkeit speichernd, schaue ich weiter. Keine Pflanzen, kein Schaukelpferd, ein mit Bluetooth ans Netzwerk angeschlossener Weihnachtsbaum in der Mitte des Raumes, große Musikboxen, Plasma - Fernseher, in der Küche hantiert ein kleiner Haushaltsroboter, aber nirgendwo auch nur ein Kabel. Endlich, ein Sofa! Erschöpft setze ich mich hin, möchte mich anlehnen. Erschreckt springe ich wieder auf – die Lehne ist heruntergefahren. Schockiert sehe ich meinen Sohn an. „Ist bequem, setze dich ruhig.“, sagt er aufmunternd lächelnd zu mir. Ich frage ihn, wie das alles funktioniert, so ganz ohne Kabel und Drähte und Steckdosen.
Schmunzelnd antwortet er mir: „Mensch Mama, du lebst wohl seit Jahren hinter dem Mond. Es ist fast alles netzwerkbetrieben. Das Netzwerk hat sich erweitert, gestärkt. Es gibt in jeder Hauptstadt einen Hauptrechner mit Energie für eine gewisse Radiusgröße. Von dort nimmt jeder Haushalt via Bluetooth seine notwendige Energie.“
„Aber, aber...was ist, wenn dieser Rechner abstürzt? Dann fällt doch das ganze System zusammen!“
„Das wird er nicht Mama, das wird er ganz sicher nicht. Es gibt strenge Sicherheitsvorschriften und viele Menschen sind genau für einen solchen Notfall ausgebildet worden und kriegen das alles in den Griff, mach dir keine Sorgen.“
„Aber Telefone, Lichter, Medien, Infrastruktur, sogar Schlösser aller möglichen Türen sind so miteinander verbunden. Findest du das richtig, Mark? Ihr könnt doch alle gar nicht mehr ohne dieses Netz leben, ihr seid regelrecht süchtig danach und abhängig davon geworden.“
„Ach erzähl doch nicht, wir können auch gut auf eigenen Beinen stehen, das ist doch gar kein Problem.“
„Mein Junge, mein lieber Junge, ich würde dir so gerne glauben, doch früher, früher war alles ganz anders. Ich erinnere mich oft an Erzählungen deiner Großmutter, als sie ein Kind war. Ich wage nicht zu sagen, dass diese Kinder es schlecht hatten. Nein, ich möchte sogar meinen, sie hatten es besser als wir und vor allem als ihr. Diese Menschen haben gelernt mit beiden Beinen im Leben zu stehen, ohne Hilfe, sogar ohne Technik.“
„Als ob das so schwer wäre Mutter. Kein Problem, ich kann auch ohne Technik leben. Ich brauche sie nicht.“
„Das sagst du so leicht daher, wie willst du mir das beweisen, Sohn?“
„Ich möchte dir sagen wie. Morgen früh werden wir zwei in meine Firma gehen, wir haben doch an der Zeitmaschine gearbeitet und seit letzter Woche ist sie auch betriebsbereit. Wir zwei werden zurückreisen, in welches Jahr auch immer und ich werde dir zeigen, dass das Leben auch ohne Technik für mich kein Problem darstellt.“
Zustimmend ringe ich mich zu einem freundlichen Nicken durch und streichle zart über meines Sohnes Antlitz. „Er weiß doch gar nicht, was er da verspricht.“, denke ich still und leise.
Rasch brach auch der nächste Morgen an. Anstatt dem lauten Gekrähe eines benachbarten Hahnes, höre ich nun einen elektronischen Weckdienst. „Frau Krämer, hier ihr persönlicher Guten – Morgen - Gruß. Heute ist der 25.Dezember 2062. Draußen liegt eine wunderschöne weiße Schneedecke. Die Temperatur beträgt -5°C...“ Ich hörte schon gar nicht mehr hin.
Ich laufe leise und langsam in die Küche, möchte mir Frühstück machen. Plötzlich wird alles hell – Festbeleuchtung - und ein nervöser Roboter kommt in die Küche geeilt. „Darf ich ihnen etwas bringen?“ „Oh nein, danke.“, antworte ich trocken mit einer wegscheuchenden Geste Richtung Ausgang. Klappernd verlässt der Roboter das Zimmer - stellt seine Funktionen auf Standby. Ich fühle mich wieder wohl. Ich tue ein paar selbstverständliche Handgriffe in der Küche, fühle die Griffe der modernen Kücheneinrichtungen – fühle, dass sie noch nie von Menschenhand ergriffen wurden. Kaltes Metall bedient seit Jahren diese Möbel – wieder das Gefühl von Kälte in dieser Wohnung. Ich setze mich leise an den Tisch mit einer Tasse Kaffee in der rechten Hand. Meine müden, alten Augen huschen über die düstere Wohnung, dann zum Fenster. „Es schneit“, denke ich und lächle. Schnee kann aus allem und jedem etwas Wunderbares machen. Ganz gleich, wie viel Kälte und Hoffnungslosigkeit diese Stadt ausstrahlt, Schnee verzaubert die Sinne eines jeden Menschen und die Ausstrahlung eines jeden Ortes. Bei diesen Gedanken nehme ich ein weiteres Mal das alte Bild und den vergilbten Brief in meine faltigen Hände, leise kullert eine Träne auf das alte Papier. Mit diesen weit entfernten Gedanken schloss sich auch die Stille dieses einsamen Morgens.
Schon hörte man lauten Schrittes die Kinder herbeipoltern – endlich kommt Leben ins Haus, denke ich still bei mir. Viele kleine Münder quasseln in einem enormen Redefluss auf mich ein und ich fühle wieder etwas von der Vergangenheit. Es gibt etwas, was noch ohne ein Netzwerk funktioniert. Der ungezwungene Kindermund. Die Natur wurde noch nicht ganz aus dem Herzen der Stadt gerissen. Mit dieser glücklichen Entdeckung stelle ich mich abermals in die Küche und mache den Kleinen einen warmen Kakao. „Frohes Weihnachtsfest meine Lieben.“ Fragende Kinderaugen sehen mich groß an. „Aber Großmama, gestern war doch Weihnachten! Warum sagst du „Frohes Weihnachtsfest“?“ Lächelnd setze ich mich mit den Kindern um den hässlich glitzernden, elektrischen Weihnachtsbaum und beginne zu erklären. Mir scheint, als nehme sich viel zu selten jemand die Zeit die endlosen Kinderfragen zu beantworten und mit aller mir gegebenen Geduld, beantworte ich jede neu gestellte Frage. Mein Sohn kommt die Treppe hinunter – ich staune, es gibt Treppen – und lächelt mir liebevoll zu. „Mama, wir wollen langsam aufbrechen.“, sagt er und verschwindet Richtung Hausflur. Ich streiche den Kindern ein letztes Mal über ihre runden, weichen Köpfchen, dann beginne auch ich mich aufbruchsbereit zu machen.
Kalt und leblos kommt mir die Stadt auch mit meinem Sohn an meiner Seite vor. Ich wage kaum zu sprechen, aus der Angst, es schnellen Roboter herbei, die einem helfen wollen oder es gibt einen Bewegungssensor, der plötzlich das Licht angehen lässt. Schweigend laufe ich neben meinem Sohn her. Dann sehe ich es, das riesengroße Gebäude vor mir. Wie Wolken, so hoch und so Angst einflößend wie ein schlechter Traum.
Die Nähe meines Sohnes gibt mir die notwendige Sicherheit und ich gehe, mir nichts anmerken lassend, weiter mit ihm die Rolltreppe hinauf. Oben angekommen grüßen viele junge Menschen meinen Sohn. Wir gehen hinein und fahren einen weiteren Aufzug hinauf. Durch viele Türen mit Sicherheitsschloss – wohl bemerkt alles netzwerkgesteuert – kommen wir endlich in einen großen runden Raum. „Ähnlich wie ein Labor“, denke ich. In der Mitte des hell beleuchteten Raumes steht eine riesige Maschine. Nicht, dass sie mich erschrecken könnte, nachdem ich durch diese schockierende Technologie-Stadt gelaufen bin, aber sicher doch weckt sie großes Erstaunen in mir.
Schweigend stehe ich neben meinem Sohn, schaue mit schweifendem Blick durch den riesigen runden Raum – frage mich, wie man so viel Kälte in einen Raum bringen kann. Ein steriles weiß deckt alle Wände und Böden, wo ich nur hinsehe ist es weiß. Überall Maschinen, gefährlich glitzernd, als wüssten sie, wie abhängig die Menschheit von ihnen ist. Ich umklammere mit der rechten Hand in meiner Jackentasche das Bild und den Brief, schaue zu meinem Sohn. „Geht es los?“, frage ich ihn leise, eingeschüchtert von den vielen Maschinen, die meinen Sinnen keine Ruhe lassen. Stumm nickend nimmt er meine Hand und geht mit mir auf die große Maschine in der Mitte des Raumes zu. Wir gehen hinein. Plötzlich wird alles blitzhell und kurz darauf setzt große Dunkelheit ein, wie, als falle man in ein nie endendes schwarzes Loch. Ich spüre das Adrenalin durch meinen Körper fegen, den Angstschweiß auf meiner Stirn, die Todesangst in meinem Herzen. Meine letzte Aufmerksamkeit gilt der Hand in meiner Jackentasche – „lass nur nicht los“, denke ich bei mir. Dann ein Licht, wie am Ende eines langen, dunklen Tunnels. Wir werden kurz durch die Gegend geworfen, da holt die Lunge auch schon tief Luft, wie es einem der Reflex befiehlt. Ich atme durch. Bin völlig aufgelöst. „Wo bin ich?“ „Wo ist das Hochhaus, die Straßen, die Lichter?“ „Was ist gerade passiert?“ Die Stimmen in meinem Kopf geben keine Ruhe.
Ich sehe auf, sehe meinen Sohn nicht weniger verwirrt neben mir auf dem Boden kriechen. „Ist alles in Ordnung?“, höre ich ihn fragen.
Ich nicke geistesabwesend, sehe mich weiter um. Wieder einmal jedes Detail speichernd, sehe ich über den kleinen Feldweg am Rande, über die Weide, auf der ein paar Kühe grasen, bis hin zu dem kleinen Dorf, wenige hundert Meter den Hügel hinab. Atme tief ein – Landluft, wunderschöne klare Landluft. Wiesen, Wälder, Tiere, ich sehe Vögel durch die Lüfte fliegen und unebenes Gelände, Farben, viele bunte Farben, von Blumen und Blüten und Bäumen und Tieren – ein Gefühl von Freiheit, da ist es - das Gefühl von Individualität.
Plötzlich reißt mich der Ruf meines Sohnes aus den schweifenden Gedanken. „Mama, hier riecht es ja, als ob wir mitten in der Pampa gelandet sind! Furchtbar!“, sagt er und verzieht angeekelt das Gesicht. „Nein mein Sohn, das, genau das und nichts anderes, ist Berlin.“ „Das gute alte Berlin.“, denke ich meinen angefangenen Gedanken zu Ende. „Nun komm schon.“, rufe ich meinem Sohn zu und reiche ihm meine alte Hand, um ihm aufzuhelfen. Nachdem er sich schimpfend dazu durchgerungen hat, sich zu erheben, gehen wir langsam den schönen Feldweg entlang. „Wir müssen einen Fernseher finden und das Datum herausbekommen.“, sagt er. Lachend erwidere ich: „Einen Fernseher?! Mein Sohn, was glaubst du denn, wo wir sind? Hier gibt es keine Fernseher. Die Idee für einen Fernseher gibt es zwar schon seit 1886, doch gilt das Jahr 1928 erst als das Startdatum des Fernsehens. Glaubst du wirklich, dass jeder so viel Geld hat, um sich einen leisten zu können? Nein, nein mein Junge. Das einzige was wir suchen können, ist die Dorfzeitung.“ Schockiert sieht er mich an. „Keine Fernseher?“ Nervös kramt er in seiner Jackentasche – zieht sein Handy hervor. Tippt kurz auf die Tasten – ein Tuten. „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“
„Mist!“, höre ich ihn hinter mir fluchen. „Wenn ich dir jetzt sage, dass es damals auch noch keine Handys gab und somit auch keine Satelliten oder Netzwerke, die dein Signal weiterleiten können. Was ist dann?“, sage ich wieder schmunzelnd.
Verärgert antwortet er: „Das kann doch nicht dein Ernst sein Mutter, es muss doch Telefone geben!“ „Natürlich gibt es Telefone - eines in jedem Dorf. Meist stehen diese beim Postamt, erzählte mir meine Großmutter damals.“
Fluchend entschließt sich mein Sohn also doch mir weiter Richtung Dorf zu folgen.
Dort angekommen stehen wir auf dem Marktplatz. Viele nette Menschen laufen an uns vorbei, grüßen uns nett. Einige drehen sich nach uns um – tuscheln.
„Wir sind Fremde für sie, das gibt es hier selten. Es dauert nicht lange, dann weiß das ganze Dorf um uns Bescheid und wir sind zur Dorfattraktion geworden.“, antworte ich auf die fragenden, stummen Blicke meines Sohnes. Langsam betreten wir das Postamt – wieder Getuschel – auf der Theke liegen Zeitungen. Ich nehme eine der Zeitungen in die Hand, überfliege sie. „28. März 1955“, lese ich links oben auf dem Deckblatt. „Wir sind immer noch in Biesdorf mein Junge.“, rufe ich Mark zu, welcher mit einem der Postbeamten wegen der Benutzung des Telefons spricht. Kopfschüttelnd kommt er auf mich zu. „Sie wollen Deutsche Mark von mir, wenn ich das Telefon benutzen will.“, sagt er in sichtlich gereiztem Flüsterton zu mir. „Aber wen möchtest du denn überhaupt anrufen? Du kennst niemanden mein Junge, wir sind im Jahre 1955.“ Entsetzen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Aber, aber, aber wie.“ Er stottert nur unverständlich vor sich hin, schließlich setzt er sich. „Aber was nun?“, fragt er voller Verzweiflung in der Stimme. „Nun, nun wirst du mir beweisen, wie du ohne Technik klar kommst, deshalb sind wir doch hier.“ Ein aufmunterndes Lächeln umspielt mein Gesicht, dann drücke ich meinen Jungen an mich.
Wieder auf dem Marktplatz angekommen, sehen wir Leute langsam über den Markt laufen, Einkäufe tätigen, ihre Kinder in großen länglichen Wägen durch die Gegend schiebend, einige sind an Ort und Stelle stehen geblieben, unterhalten sich lachend. „So viel Leben und Liebe in diesem Dorf.“, denke ich. Wir gehen ein Stück weiter in die Stadt hinein, durch den kleinen Vorort hindurch. Menschen fahren mit Fahrrädern und alten Autos über die kleinen Landstraßen. Nirgendwo ein Internet – Café - wie auch, so etwas kannte man gar nicht. Eine Straßenbahn - ein Hoffnungsschimmer für meinen Sohn, es gibt Technik! Es gibt ein kleines Ortskrankenhaus, im südlichen Teil eine Villen-Kolonie, es gibt einen Schlosspark Biesdorf, auch S –Bahnen sieht man durch die Stadt fahren, rund um den Schlosspark eine sogenannte „Paradiessiedlung“, ich sehe die Biesdorfer Dorfkirche, auch „Gnadenkirche“ genannt, ich erkenne so viel wieder. Ich sehe wieder mein Berlin vor meinen alten, müden Augen. Nur mein Sohn ist minder begeistert von diesem tollen Örtchen. Es erschreckt ihn, wie alt alles ist, wie wenig Autos herumfahren, wie wenig er kennt. „Köpenicker Straße? Welche ist das, kenn ich gar nicht.“, fragt er wenig begeistert. „Das ist die Straße in der du wohnst, mein Lieber. Die gute alte Köpenicker Straße.“ Erinnerungen überkommen mich, ich sehe Bilder vor Augen, wie ich mit Freunden oft diese Straße lang gefahren oder gelaufen bin. In meinen eigenen Erinnerungen gefangen merke ich nicht, wie mein Sohn weiterläuft und einen jungen Mann nach dem Weg zum Internet-Café fragt. Wie aus der Trance gerissen, höre ich das Wort „Internet“ und schrecke auf. Laufe in schnellem Schritte zu meinem Sohn. „Sag mal bist du denn von allen guten Geistern verlassen?!!“, keife ich ihn gereizt an und zerre ihn von dem verwirrten jungen Mann davon. „Du kannst doch nicht in aller Öffentlichkeit nach dem Internet fragen, es gibt kein Internet! Es hat es nie gegeben, verstehst du mich?! Komm mit, wir suchen uns eine Übernachtungsmöglichkeit.“
Eingeschüchtert von meinem aggressiven Ton läuft er mit gesenktem Kopf hinter mir her. Die Wut brodelt in mir. „Was hat er sich dabei gedacht?!“, schreit es in mir.
Ein paar hundert Meter weiter kommen wir an ein Gasthaus, freundlich nehmen uns die Besitzer auf und führen uns auf unser Zimmer. „Licht, Fenster, Betten, gepflegtes Bad, alles was man braucht.“, denke ich und mein Blick huscht zu Mark. „Kein Fernseher, kein Telefon, kein Computer, ein Stück Seife?! Was ist denn das hier?“, lese ich es aus seinem Gesichtsausdruck. „Wie ruft man hier den Zimmerroboter?“ „Es gibt keinen Zimmerroboter, wozu brauchst du einen?“ „Wer wäscht meine Wäsche? Wer kocht? Wer bügelt? Wer bringt mir, was ich brauche?“ „Niemand, mein Junge, du stehst auf eigenen Beinen, schon vergessen?“ Mürrisch verlässt er das Zimmer, ich bin allein. Ein paar Minuten Ruhe kommen mir gar nicht mal so ungelegen. Langsam ziehe ich das Bild und den Brief aus der Jackentasche und mein Blick huscht leise über das beschriebene Papier. Mit glasigen Augen hake ich ein paar der Dinge ab, die in dem Brief stehen und lege mich leise zu Bett, das Bild nicht aus der Hand gebend – mit glänzenden Tränen in den Augen schlafe ich ein. Plötzlich werde ich durch ein lautes Poltern und Krachen hellwach. Mein Sohn kommt ins Zimmer getorkelt, zwei Männer halten ihn an den Armen. Schockiert frage ich, was denn passiert sei. Lachend antworten die beiden Männer: „Der hier hat sich unten in der Bar voll gesoffen und uns zuletzt diese dämliche Karte vor die Nase gehalten und gemeint er wolle zahlen. Nur trug er nur diese Karte, doch aber kein Geld bei sich.“ Schweigend nehme ich die Karte entgegen. „VISA“ steht fett vorne auf die Karte gedruckt, ich verstehe. Ich gebe den Männern das fehlende Geld in Deutschen Mark, da ich mir notfalls welches eingesteckt hatte und lass sie meinen Sohn aufs Bett ablegen.
Der nächste Morgen. Mark erwacht aus seinem Tiefschlaf – reibt sich stöhnend die Augen. „Was war denn los?“, fragt er mit erschlagener Stimme. „Du hast getrunken und das nicht zu wenig mein Guter.“, sage ich erschöpft und stelle ihm eine Tasse Tee ans Bett. „Du hast wieder einmal vergessen, wo wir sind. Wolltest mit VISA bezahlen. Das geht nicht mein Sohn. Sieh es endlich ein, dein ach so faszinierendes Riesennetzwerk existiert hier nicht. Somit gibt es auch keine Kartenzahlung – nur bar.“ Stille. Diese Stile verrät mir, dass er sich schämt, schämt für seine Unachtsamkeit, schämt für alles. Müde lächelnd setze ich mich neben ihn aufs Bett. „Es ist nicht leicht so zu leben, wie die Menschen früher, nicht? Es ist nicht leicht, du hast es vollstens unterschätzt, wird dir das nun bewusst?“ Mit diesen Worten lasse ich ihn sitzen, werfe einen kurzen Blick auf den Brief und schlage einen Spaziergang durch die Stadt vor. Zögernd willigt Mark ein. „Wollen wir ein wenig mit der Bahn fahren?“, fragt er im selben Atemzug des Nickens. Ich schaue schnell im Internet, wann die S-Bahn fährt...“ Da entdeckt er beim Reden schon selbst seinen Fehler. Es gibt kein Internet. Wo bekommen wir also die Fahrzeiten her? „Nur die Ruhe, auf die alte Art und Weise eben, wir laufen zum Bahnhof und schauen auf die Pläne.“, sage ich in ruhigem und direkten Ton. Schweigen. Schweigen bedeutet Zustimmung, so steht es im Talmud. Also machen wir uns entschlossenen Schrittes auf zum Bahnhof. Ich fühle mich wieder wie ein junges Mädchen, so wie ich hier durch diese Stadt laufe, die Vögel zwitschern höre. Ich sehe junge Pärchen an uns vorbeilaufen, sich in den Armen liegend. Es ist, als hätte man wirklich die Zeit zurückgedreht, nicht nur äußerlich sondern auch in meinem Herzen. Alles, was einst so fremd, so verloren, so lange her erschien, ist nun wieder da. All die alten Erinnerungen an längst vergessene Tage sind wieder da, als wären sie nie fort gewesen. So stehen wir nun am Bahnhof, schauen auf die Karte, wo wollen wir eigentlich hin? Fragend sehe ich meinen Sohn an. „Lass uns deine Großmutter besuchen fahren.“ „Mark, du weißt genauso gut wie ich, dass das unmöglich ist. Wir dürfen niemandem erzählen, wo wir herkommen und was passieren wird, damit verändern wir von Grund auf alles.“ „Ich möchte auch nicht zu ihr hinein, ich möchte sie nur sehen, willst du das nicht irgendwie auch?“ Krampfhaft fiebernd den Brief in der Hand umklammert, denke ich nach. Natürlich will ich, aber wir dürfen doch nicht. Ist es nicht aber vorherbestimmt? Herz und Verstand bieten sich einen unerbitterten Kampf. Wie nicht anders erwartet antworte ich: „Okay, du hast Recht.“ Das Herz hat gesiegt. „Doch wo bekommen wir die Adresse her?“, frage ich mich selbst. Im selben Augenblick spricht Mark das Gedachte aus: „Wir müssen einen PC finden. Dort können wir nach der Adresse google’n.“ „Klick.“, höre ich es in seinem Gehirn schalten. „Ach herrje...schon wieder, tut mir Leid Mama. Wo suchen wir sonst nach der Adresse? Ich meine, das bekommt man doch gar nicht anders heraus!“ „Aber natürlich bekommt man das anders heraus. Meinst du die Menschen früher waren dümmer, nur weil sie kein Internet hatten?! Jeder Gang macht schlank, hieß es damals. Wir müssen wieder zu einem Postamt, wir brauchen ein Telefonbuch, dort müssten wir fündig werden.“
Auch das ist schnell erledigt, so dass wir weiter unseres Weges gehen können. Nach ein paar Stationen Fahrt mit der Bahn sind wir auch schon da. Wir steigen aus, schauen uns auf dem Bahnhof um und laufen den letzten Rest bis zu dem Haus, zu dem wir wollen. Uns kommt ein jungs Mädchen, mit ihren Freundinnen entgegen. Kichernd quasseln sie alle durcheinander. Das Mädchen schaut mir plötzlich tief in die Augen. Für einen Moment habe ich das Gefühl, die Zeit bliebe stehen. Es ist vollkommene Stille um uns herum, so als gäbe es nur uns und niemand anderes auf der Welt. Es ist so etwas Vertrautes in diesem Blick, als hätte ich ihn all die Jahre auf mir gespürt. Dennoch gehen wir aneinander vorbei, drehen uns ein letztes Mal um, dann verschwindet sie um eine Ecke. „Was ist los?“, fragt mein Sohn, bemerkend, dass irgendwas nicht stimmte. „Ach nichts, nichts mein Kind.“ Schweigend gehen wir weiter. Kommen an dem Hause an, dass die gesuchte Nummer trägt, schauen durchs Fenster, sehen eine glückliche Familie um den Essenstisch herumsitzen. Sie lachen, reden und es ist als wäre all die Liebe, die mir in der Zukunft Berlins so gefehlt hat in dieser einen Familie. Ich muss lächeln. Sehe die fröhlichen Kindergesichter, mit Holzflöten in der Hand, Zufriedenheit in ihrem Gesicht. Im Hintergrund läuft leise eine Schallplatte, die Mutter kommt mit dem Essen in den Saal hineingelaufen. Kein Roboter, keine weißen Wände. Es gibt vertraute Kabel. Keinen Computer, keine riesigen Musikboxen, kein Telefon, ein Licht – mit Lichtschalter. Eine Katze wuselt durch das Geschehen. Ich atme tief ein. „Das ist es mein Sohn, was mir in unserer Familie, in deinem Haus so fehlt, seit es diesen Superrechner und dieses Internet gibt. Diese vertraute Zusammenkunft von Menschen in einem Raum. Nicht im Chat oder per E-Mail aus weiter Ferne – nein in einem Raum, zusammen am Essenstisch, lachend, mit einander redend, die fröhlichen Stimmen durcheinander sprechen hörend. Das ist es, was mir so fehlt. Abgenutzte Küchenschränke, siehst du das? Schrammen im Porzellan. Verstehst du nun, wieso ich das alles wollte? Wieso ich wollte, dass du siehst, wie diese Menschen leben? Das ist Leben mein Sohn, das ist Zufriedenheit, das ist Individualität. Und das ging alles verloren.“ Schweigen, erneut. Das Schweigen bleibt auch auf dem Weg nach Hause, was heißt nach Hause – zum Gasthof. Ein paar Stunden später kommen wir an.
Wir sitzen gemeinsam an dem kleinen Tisch in unserem Zimmer.
„Lass uns nach Hause gehen mein Sohn. Lass uns heim kehren. Du hast gesehen, wie du dich getäuscht hast in der Arbeit, die einem gemacht wird, wenn es deinen Superrechner nicht gibt und wie wenig du eigentlich vom Leben weißt. Es reicht, lass uns gehen.“ „Mutter? Danke.“ Das war alles, was er zu sagen hat. Ich sah ihm die tiefe Reue seines bisher gelebten Lebens an, es zeichneten sich langsam dieselben Narben auf seinen Händen ab, wie die auf meinen, sah ich. Narben vom Fall durch die Zeitmaschine, von den Glasscherben aus der Bar und Narben, die man nicht zu sehen pflegte, da sie tief im Herzen sind. Sein Gesicht zeigte nun die Falten, die auch mein Gesicht in seinem Alter vorwies. Ich hebe meine Hand und streiche ihm zart übers Gesicht, über das Gesicht, was ich 40 Jahre lang immer im Herzen trug. Das Gesicht, was mich alle meine Sorgen immer hat vergessen lassen und mir immer alle seine auflud. Das Gesicht was ich jahrelang zu schützen pflegte und was nun alt und zerbrechlich geworden war. Es sah so hilflos aus, wie es stumm auf den Boden starrte. Ich sagte leise: „Ich habe dir zu danken, dafür, dass du mir auf meine alten Tage noch so eine Reise beschert hast, dafür, dass du nicht gefühlskalt geworden bist, wie der Rest der Stadt, dafür, dass du mich nicht irgendwohin abschiebst, sondern mich immer noch als dein Blut anerkennst, dafür, dass du in mir neue Hoffnung gepflanzt hast. Es ist nicht aus. Ein einzelner allein kann schon etwas ausrichten, vergiss das nicht.“ Mit diesen Worten ließ ich ihn sitzen, diesen müden, alten Mann und als ich einen Blick zurück warf umspielte sein Gesicht ein kleines Lächeln. Da wusste ich es, das Kind hat gesiegt. Er wird nicht zu einem dieser verbitterten, alten Menschen, welche sich in ihrem Selbstmitleid ertränken und das kleine Kind, das der Welt so viel bedeutet, in sich einschließen. Nein, er sieht nach vorn, so wie man es nicht anders tun sollte. Er hat verstanden.
Ich werfe einen Blick durchs Fenster – Sterne, viele, viele Millionen Sterne am nachtdunklen Himmel, dabei ist es Frühling. Ein weiteres Mal ziehe ich Brief und Bild aus meiner Jackentasche, setze ein paar Häkchen.
Beruhigt gehe ich zu Bett.
Der nächste Morgen erwacht – das Gekräh’ eines Hahns in der Nachbarschaft. Ich fühle mich wohl. Gehe ein paar Schritte, das Bett meines Sohnes ist leer. Ich mache mich fertig und gehe aus unserem Zimmer. Komme die Treppe herunter. Da kommt mir mein Sohn entgegen. „Mensch Mama, du bist ja schon wach. Ich habe Brötchen geholt, unten vom Bäcker, lass sie uns noch essen vor der Heimreise. Bitte.“, ruft er mir lächelnd zu, enttäuscht, da er zu spät kommt. Freudig nehme ich das Angebot entgegen. Es ist ein schöner Morgen, die Sonne lacht, man hört wieder Vögel und unten hört man viele bunte Stimmen wild durcheinander sprechend.
Der Morgen geht vorbei – wir müssen heim. Langsam begeben wir uns in die Richtung, aus der wir kamen. Ich werfe einen letzten Blick zurück auf mein geliebtes Berlin. Mein Sohn tut es mir nach, dann lächelt er mir aufmunternd zu. „Gehen wir?“, fragt er sanft. „Ja, gehen wir.“, antworte ich entschlossen.
Wieder dieses Gefühl in die Luft gewirbelt zu werden, alles drückt sich zusammen, die Welt rast an einem vorbei und dennoch ist es stockdunkel, ein heller Punkt, wir sind da. Schnaufend stehen wir wieder im sterilen Labor. Ich nehme tief Luft, ich rieche Desinfektionsmittel. Oh ja, wir sind zurück. Schwer und unglaublich lang kommt mir der Weg zum Hause meines Sohnes dieses Mal vor. Wir laufen schweigend nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Dort angekommen laufen uns schon schreiend die Kinder entgegen. „Vater, Vater, Oma! Wo ward ihr denn nur so lange?“ „Wir sind verreist meine Lieben. Dorthin wo alles begann, wo das Leben seinen Ursprung hat, dorthin wo die Menschheit entstand, wo sie laufen lernte.“, sprach er und zwinkerte mir unbemerkt zu. „Er ist ein guter Junge“, denke ich und schmunzele. Der Abschied naht, ich muss zurück, nach Hause. Ich quäle mich wie immer durch viele Tränen des Abschieds, umarme meine lieben Enkel und Enkelinnen, zum Schluss meinen Sohn. Ich stehe vor ihm. Drücke ihm den Brief und das Bild in die Hand. „Lies ihn und schau dir das Bild an, tu mir den Gefallen. Dann wirst du verstehen.“ Mit diesen Worten ließ ich den jungen Mann vor seinem Hause stehen und lief, lief, dorthin wo ich frei atmen kann.
Es war noch derselbe Abend, an dem mein Sohn sich den Brief zur Hand nahm, ihn auffaltete und lies:
Meine liebe Tochter, 15. Mai 2047
ich weiß, dass es um mich nicht gut steht und dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Ich weiß, das möchtest du sicher nicht hören und du weißt, ich würde niemals aufgeben, wenn nicht schon alles verloren wäre. Der Krebs zwingt mich in die Knie, ich kann nicht mehr. Doch ich möchte, dass du noch einiges erfährst, einiges ungesagtes. Du wirst es heute noch nicht wissen, doch deine Oma ist dir schon einmal begegnet, lange, lange bevor du auf der Welt warst. Kurios, aber wahr. Es war an einem schönen Abend im März, am 29. März 1955 um es genau zu sagen. Sie ist mit ihren Freundinnen auf dem Weg zum Park gewesen, sie wollten es sich an dem schönen Abend ein wenig bequem machen. Da kam ihr eine alte Frau entgegen, mit einem Mann mittleren Alters an ihrer Seite. Es war ihr, als hätte sie diese Frau schon zuvor einmal gesehen. Sie sahen sich in die Augen und es war wie ein Dejavu, wie ein Traum, wie etwas Magisches zwischen den Beiden. Sie hat diese Frau nie wieder gesehen, hat im Dorf überall nach ihr gefragt, doch niemand wollte sie gesehen haben. Ich weiss nicht, wie so etwas möglich ist, aber sie sagte eines Tages zu mir, sie erkennt diese alte Frau in dir wieder. Die Augen sagte sie, diese Augen hat nur ein Mensch auf der Welt. Die Augen, die so strahlen, als wären sie Sterne, die so funkeln können, als wären sie Diamanten. Sie hat diese Augen nie vergessen und glaube mir, sie irrt sich nicht. Egal wie du dort hingekommen bist mein Kind, du musst dir Biesdorf anschauen, als es noch Biesdorf war. Heb dein Köpfchen und rieche die frische Luft, die es mal in Berlin gab. Sieh dir die Kirche an, den Park, die endlosen Wiesen und Wälder, das Wilhelm – Griesinger Krankenhaus damals, die Weiden, die Häuser, fahre mit der Bahn durch Berlin, das alte Berlin. Ich hätte es dir so gern gezeigt, doch ich denke, das liegt nicht mehr in meiner Macht. Doch der junge Mann – ich denke es ist dein ältester Sohn. Der hat die Kraft dir das zu ermöglichen, dir das alles zu zeigen. Und wenn du verzweifelt bist, geh zu dem Haus meiner Mutter und spüre die Wärme, die aus diesen Wänden strahlt, die Wärme, die auch unser Heim stets umgab und du wirst wieder einen klaren Kopf fassen können. Es gibt wesentlich wichtigere Dinge als Technik, als Internet, als Telefone oder Fernsehen! Wir konnten damals auch ohne das alles. Ich weiß, du kannst es auch. Führe ein freies Leben, verlasse dich nie auf die Technik, die wird eines Tages versagen, verlasse dich auf dein Herz und deinen klaren Menschenverstand – das bleibt ewig. Und wenn du dann eines Tages so auf dein Leben zurückschaust, so wie ich es heute tue, wirst du nichts zu bereuen haben. Wir machen alle das Beste, aus dem uns Gegebenen, setze das nie leichtfertig aufs Spiel. Lebe dein Leben und schau nicht auf Vergangenes, tu anderen einen Gefallen, ohne einen zurück zu verlangen, sprich mit Kindern, das ist Balsam für die Seele und sperre das eigene Kind in dir um Gottes Willen niemals ein. Denn das ist es, was dich am Leben hält mein Kind, was dir die Lebensfreude ins Herz lässt und was dir ein Auge beschafft für Kleinigkeiten, für Details jeglicher Art. Du siehst doch, Lebensfreude ist mir nur geblieben, weil ich mit euch lachen konnte, weil ich mich euch immer mehr angeglichen habe, weil ich ein Kind war, so wie ihr. Ich werde nie auch nie ein Stück meiner Erinnerung vergessen, keinen Augenblick, kein gesagtes Wort, keinen Geruch, nichts. Ich werde immer an unsere gemeinsame Zeit denken. Ihr Kinder wart das Beste, was mir je hätte passieren können. Wenn mich jemand fragen würde, was ich im Nachhinein in meinem Leben anders gemacht hätte, würde ich auf diese Frage nur eins antworten können: Nichts. Denn ich habe nun alles was ich brauche. Ich bin glücklich. Ich bin zufrieden mit dem was ich geleistet habe. Ich habe keinen großen, bedeutungsvollen Namen hinterlassen und es wird sich kaum einer an mich erinnern, doch hab ich euch hinterlassen und ihr - ihr seid die Welt, du bist die Welt mein Kind. Verzweifle nicht, wenn du das liest. Ich bin dann wohlmöglich nicht da, um dich zu trösten, doch würde ich dir jederzeit die Tränen wegwischen, wenn ich neben dir säße. Mit diesem Brief verabschiede ich mich nun auch schriftlich von dir. Ich weiß, du kannst es nicht verstehen, du willst es nicht verstehen, wieso. Man fragt immer nach dem warum, wieso hört man nicht einfach gut zu, der Wind sagt alles, was man wissen muss. Und die Sterne sagen alles, was du brauchst. Schaue hinauf in den Himmel, wenn du dich einsam fühlst und ich werde da sein. Für dich und für alle die du liebst.
In tiefer Liebe...
Deine Mutti.
Schweigen.
Er nahm das Bild zur Hand und sah es sich an. Er sah eine große glückliche Familie. Seine Uroma, seinen Uropa, seine Oma, seine Onkel und Tanten, seine Mutter, seinen Vater und in den Armen seiner Mutter ein kleines verpacktes Bündel – sich selbst.
Langsam gehe ich durch die stille Nacht, ein paar Tage nach Weihnachten. Ich denke an dich Mama, ich vermisse dich. Ich vermisse dein Lachen, deine ganze Art. Ich vermisse deine Hand, wenn ich falle, deine Augen, die mir diese Liebe geben. Ich sehe überall nur Technik, davor hast du immer gewarnt – hast es vorausgesehen. Ich sehe in den Himmel, denke an dich. Ich fühle mich plötzlich so einsam ohne dich. Da seh ich es – ein Stern, ein einziger Stern am Himmel, doch so hell, dass es mir ist, als hätte er die Energie von Millionen. Ein klarer Windhauch umspielt mein altes, faltiges Gesicht. Ich lächle sanft, wie ein Kind, ich verstehe.
Komplettes Urheberrecht und copyright bei Lisa-Elain Mielke.
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Einsam wächst eine kleine Pflanze im Garten der Liebe in deinem Herzen. Jeden Tag wird sie größer und jeden Tag merkst du, wie sie mehr und mehr Besitz von deinem Herzen ergreift. Langsam, nur sehr, sehr langsam wächst das zierliche Geschöpf und viele andere Pflanzen vergehen und werden alt. Auch diese Pflanze, die nun in voller Pracht in deinem Herzen steht, wird eines Tages alt sein und dennoch ist sie das Schönste Geschöpf in seiner Prachtzeit, auch andere Pflanzen haben einmal so von dir Besitz ergriffen. Es wird Frühling und aus dem kleinen Samen, ist ein großer Baum geworden, welcher nun in voller Blüte steht. Doch plötzlich wächst Unkraut neben dem Baum und bedeckt das schöne Geschöpf und du spürst den Schmerz, den Schmerz in deinem Herzen, da der Baum leidet, er leidet und schon bald ist er kaum mehr zu sehen. Du kannst nicht mehr, würdest ihm gerne helfen, doch weißt du genau, dass sich der Baum nur selbst helfen kann, indem er Früchte trägt und neue Samen säht. Doch er hat nicht die Kraft zu bestehen. Er hat nicht die Kraft den Kampf zu gewinnen und verliert seine stolze Pracht und langsam vergeht die Zeit, des großen wunderschönen Baumes und dein ganzes Herz leidet nun und sieht keinen Ausweg mehr. Der Garten ist zerstört und keine Pflanze ist geblieben, denn du hast nur noch dem Einen Aufmerksamkeit gezollt. Nur noch dem, der am Schönsten war, nur noch dem, der dir am Meisten bedeutete. Still und einsam weinst du nun um deinen schönen Garten, denn bevor dieser Samen sich in deinem Herzen ausbreitete hattest du viele wunderschöne, wenn auch kleine Pflanzen in deinem Herzen, die alle ständig blühten. Du weinst bittere Tränen und diese Tränen, die nun auf deinen Garten prasselten ließen dich etwas entdecken. Unter den Trümmern und den abgestorbenen Pflanzen sprießt ein kleiner Samen, kaum sehbar und frisch aufgeblüht, der ein solches Grün verstrahlt, dass alles andere um ihn herum nicht mehr stört und er sprießt weiter und weiter und verteilt in deinem ganzen Herzen junge, frische Samen. Durch die nun einkehrende Feuchtigkeit der Tränen um deine Pflanzen, blüht der ganze Garten wieder in voller Pracht auf und mittendrin, der kleine frische Samen, klein und wird er immer klein bleiben, denn er will helfen und nicht einnehmen. Diese kleine Pflanze nennt man Hoffnung. Die Verzweiflung nagte an dem großen Baum der Liebe, welcher durch jene verzweifelte Sehnsucht einging. Traurigkeit, die nur zum helfen verurteilt ist, brachte den Garten erneut zum blühen.
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Die kleine Hand zur großen...
Du große starke Hand,
ich brauche dich,
weil ich in dir geborgen bin,
weil du mir Kraft gibst
meinen Hunger zu stillen,
meine Schritte zu gehen,
meinen kleinen Körper zu schützen.
Weil du mir aufhilfst,
wenn ich falle
und du mich stützt,
wenn ich zu fallen drohe.
Weil du meine Tränen trocknest,
meine Freude teilst.
Ich brauche dich,
weil du mich schützt und liebst
und mein Leben in dir hältst.
Daraufhin die große Hand zur kleinen...
Meine kleine sanfte Hand,
nein ich brauche dich,
weil ich dich umarmen
und dir einen Teil meiner Kraft geben kann,
ich deinen Hunger stillen
und deine ersten Schritte begleiten darf.
Weil ich dir nach jedem Sturz aufhelfen
Und dich vor jedem Weiteren schützen kann.
Weil ich das Lächeln in deine tränenverschmierten Augen zurückbringen darf,
welches mich Tag für Tag am Leben hält,
weil ich mit dir lachen darf
und ich auf ewig dein kleines Leben begleiten darf.
Ich brauche dich,
weil du mein Leben bist.
Komplettes Urheberrecht und copyright bei Lisa-Elain Mielke.
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Sie
Es ist dunkel. Sie hat es nie anders gekannt. Leise hört sie die Stimmen um sich herum, die sich so fremd anhören. Sie weiß nicht, wo sie ist, aber sie läuft trotzdem vorwärts – unbeholfen wie ein kleines Kind, das die wärmende Nähe der Mutter sucht. Man erzählt ihr von Dingen, die man angeblich sehen kann – sie nennen sie Farben. Sie hört Sätze, wie „Sieh mal, das wunderschöne rote Kleid!“ und fragt sich, was man sich unter einem roten Kleid vorzustellen hat. Manche haben versucht, es ihr zu erklären. Wie erklärt man Farben? Manche haben gesagt: „Blau – wie das Meer.“, aber woher soll sie denn wissen, wie das Meer aussieht? Sie schmeckt nur den frischen Salzgeschmack in der Luft, die frische Brise, die ihr ums Gesicht zieht, wenn sie am Strand steht und mit leerem Blick aufs Meer hinausschaut. Sie fühlt, wie der Sand sich wie ein Mantel um ihre Füße legt und jedes Sandkorn sie in ihrer stillen Verzweiflung tröstend umschließt. Sie hört die lauten Rufe der Vögel, wenn sie über ihren Kopf hinwegrauschen und spürt die grenzenlose Freiheit - Freiheit die sie nie besitzen wird.
Sie hat keine Angst vor der Dunkelheit, denn sie ist ihr einziger Zufluchtsort – ihre Heimat. Die einzige Farbe, die sie beschreiben kann ist schwarz und jene wird nicht einmal offiziell als „Farbe“ anerkannt. „Schwarz“, sagt die junge Frau verträumt, „Schwarz ist ruhig, schwarz ist vertraut, schwarz ist alles was mir mein Schicksal gibt.“ Sie hört Schritte neben sich, hört ein leises Lächeln, so leise, kaum hörbar, aber wahrnehmbar, wenn man aufmerksam durchs Leben geht. „Schwarz ist bitter, dunkel und hoffnungslos – sie irren sich.“, sagt er mit einer warmen, fröhlichen Stimme, wie sie sie noch nie gehört hat. Sanft spürt sie einen Windhauch – er reicht ihr die Hand. Dankend nimmt sie die Seine, spürt die Wärme durch jeden einzelnen ihrer Finger strömen und lässt sich von der Bank im Park aufhelfen. „Sie haben wunderschöne Augen, leuchtend, wie Sterne“, sagt er wie selbstverständlich, als wisse er nicht, durch was ihr Leben gebrandmarkt ist. So etwas wurde ihr noch niemals gesagt. Ihre Augen wurden als leer und kalt empfunden, aber wie Sterne? Scheu möchte sie antworten. „Ich weiß“, sagt der junge Mann, als könne er ihre Gedanken lesen. „Glauben sie wirklich, was sie dort eben gesagt haben?“, fragt er verständnislos. „Ja, ich meine, was ich sage, ich habe keinen Grund zu lügen.“, sagt sie mit einem stummen Lächeln auf den Lippen. „Ich liebe die Farbe schwarz, sie ist meine Lieblingsfarbe.“, spricht sie gedankenverloren weiter. „Man hört ihnen die Bitterkeit an – der ungehaltene Frust, den sie in sich tragen. Der Ärger über das, was ihnen genommen wurde, bevor sie es kennen lernen durften. Die Traurigkeit, es nie begreifen zu können. Lassen sie sich eines gesagt sein, sie können zwar nicht sehen, was rot ist, aber sie können es fühlen. Für sie werden Farben immer eine ganz besondere Sache sein – für sie sind es nicht nur Farben sondern eine unendlich große Ansammlung von Gefühlen. Sie brauchen 10 einfache Schritte, um zu verstehen, dass sie kein Augenlicht brauchen, um zu begreifen, was Farben sind. Farbe ist ein Gefühl. Haben sie schon einmal neben einem warmen Feuer gestanden und das Zischen der Flammen – für andere unhörbar – wahrgenommen? Haben sie ihre Hände, jeden Finger, dicht an die wärmende Flamme gehalten und gespürt, wie das schwarz ihrer Augen plötzlich freundlicher wird und ihre Finger sich langsam nach dem Feuer recken? Das ist das rot, dass sie sehen, das rot, dass sie mit allen Sinnen spüren und viel effektiver wahrnehmen können, als es dem normalen Menschen vergönnt ist. Der erste Schritt, der der die Wärme in ihr Leben bringt, Wärme, Liebe und Mut.“, sagt er, als träume er vor sich hin. „Haben sie je das kühle Wasser über ihre Finger laufen lassen? Jeder einzelne Finger spürt anders, jeder Finger kann ihnen die Realität näher bringen, wenn sie es zulassen. Haben sie die kurze Kälte auf den Händen gespürt, die durch ihren ganzen Körper rauscht und ihnen das Gefühl von Reinheit gibt? Haben sie gespürt, wie die Finger, vom ganz kleinen Zarten, bis hin zum großen Breiten sich zusammenziehen und die Gemeinschaft, Geborgenheit suchen? Das ist das Gefühl „blau“, dass ihnen durch die Adern fließt. Der zweite wichtige Schritt um „Sehen“ zu können, das Gefühl von Klarheit, Besonnenheit, Verständnis, aber auch Kälte.“
Wie gebannt lauscht sie jedem einzelnen seiner Worte, als könne sie sie dadurch festhalten und die Beschreibungen in sich speichern und nie mehr gehen lassen. „Hatten sie schon einmal das Gefühl, dass sie etwas berühren und ihr Herz plötzlich einen Sprung macht? Sie möchten es am liebsten in den Händen halten und nicht mehr loslassen, damit durch die Gegend springen und leben. Es ist das klitzekleine Gefühl, wenn die Sonnenstrahlen ihre Haut berühren und ihnen das Gefühl „gelb“ einverleiben. Schritt 3, um glücklich zu werden, denn man braucht grenzenlose Freude an allem im Leben, egal, wie klein es auch sein mag, wie unscheinbar, wie normal. Denken sie dran, dass jeder Augenblick etwas Besonderes ist, ein Augenblick, der niemals wieder kommt.“ Schweigend läuft sie neben ihm den Park entlang, seine Hand immer noch in der ihren. Ein weißer Vogel fliegt an ihnen vorbei, sie spürt den leichten Windhauch. „Ein Vogel“, flüstert sie lächelnd. „Weiß“, sagt er nachdem er tief Luft geholt hatte, als hätte sie ihn gefragt. „Das Gefühl von vollkommener Reinheit, Eleganz, Perfektionismus. Auf weißem Grund sieht man jeden Krümel, jedes andersfarbige Detail. Weiß ist die Wahrheit, die Unschuld. Wenn ihre Finger weißen Grund berühren, werden sie sich stets wohl fühlen. Egal, ob die Oberfläche weich, hart oder rau ist – weiß gibt ihnen Ruhe. Die Bewegungen der, sonst so raschen, Finger verlangsamen sich um ein Minimum, nur für sie wahrnehmbar und erschlaffen, kaum merkbar für Menschen, die sich auf das Sehen verlassen. Der vierte Schritt bringt ihnen all das eben erwähnte. Wir alle brauchen Wahrheit, Reinheit, ein wenig Ruhe und Geborgenheit.“, sagt er leise mit so viel Ruhe in der Stimme, als wäre sein Geist mit der Zeit schneller gealtert, als sein Körper. Plötzlich spürt sie einen sanften Ruck an ihrer Hand – er bleibt stehen. „Wenn sie ganz tief einatmen, müssten sie es riechen können.“, sagt er gelassen. „Ich rieche unbändige Schönheit, was ist das?“, fragt sie neugierig zurück. „Rosa Blüten. Ein Traum. Ein Gefühl von Schwäche, Unschuld, Schönheit, großartiges Gefühl. Sehr, sehr sanftes Gefühl, dass die Finger behutsam und achtsam werden lässt. Es ist wie ein leichter Schleier, der einen umgibt. Absolute Feinheit, etwas, was man schützen muss. Der fünfte Schritt ist nichts weiter als Verantwortung. Sie müssen sich etwas suchen, das sie beschützen möchten, etwas schutzloses, dem sie gern eine helfende Hand sein wollen. Verantwortung macht die Menschen stark. Suchen sie ihr Gefühl „rosa“ und beschützen sie es.“
Wie ein kleines Mädchen, sieht sie ihn fragend an – neugierig noch mehr zu erfahren. Farben haben plötzlich so eine großartige Bedeutung. Sie kann sie langsam sehen, schmecken, fühlen, riechen. „Erzähl mir mehr...“, sagt sie mit einer kindlichen Neugierde in der Stimme. Lächelnd fährt er fort...
„Wenn sie mit der Hand über diesen Stein fahren, spannen sich ihre Finger automatisch an. Es ist, als hätten sie Angst, als würden sie vor dem Stein in die Knie gehen. Das Gefühl „braun“ hat Macht, große Macht, aber es ist barmherzig. Harte Schale, aber ganz weicher Kern. Es vermittelt ein Gefühl von Alter, Weisheit, Stärke und Kraft, aber auch Gutherzigkeit und Vernunft. Fairness. Das Gefühl „braun“ ist der sechste Schritt auf ihrem weiteren Weg. Sie dürfen nicht vergessen, wie viel Macht sie auch über andere Menschen, Pflanzen, Gegenstände haben, bleiben sie immer fair. Fairness und Barmherzigkeit werden groß geschätzt und schaffen Achtung und Respekt - wichtige Punkte, die jeder verdient.“
Still ist sie geworden, wie gefangen in seinen Erzählungen. Als hätte sie Jahre niemandem mehr zugehört. Auch er hat zu schweigen begonnen. Leise gehen sie nebeneinander her. Jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen. Jeder auf seine Weise einzigartig. Er legt den Kopf in den Nacken, sieht nach oben, atmet tief ein. Sein Blick wirkt so leer – er lächelt.
„Orange – ein schönes Gefühl, ein beruhigendes Gefühl. Irgendwie geordnet und doch wild, unbezähmbar und doch zutraulich. Sie werden das Gefühl nicht kennenlernen, wenn sie sich nicht mit ihm beschäftigen. Orange ist sehr eigenwillig, fast schon stur. Es herrscht in lodernden Flammen, wie sie nicht aktiver sein könnten und in ruhigen Sonnenuntergängen, bei denen die Welt tief einatmet und absolute Stille herrscht. Ihre Finger können gar nicht loslassen davon, sie sind so entzückt, dass sie den Gegenstand solange umgarnen bis sie ihn erforscht haben und auch dann, lassen sie selten davon ab. Orange fasziniert, ist mysteriös. Das Gefühl von Phantasie, Mystik. Es weckt das innere Kind in jedem Menschen. Vergessen sie den siebenten Schritt nicht, viele Menschen haben ihn auf dem Wege ins Leben verloren. Viele haben das Kind hinter sich gelassen und damit die Phantasie.“ Dieses Mal klang er leicht traurig, es beschäftigte ihn sehr. Er wirkte wieder, wie ein alter weiser Mann – so ruhig und doch so zerstört. Mittlerweile fragt sich die junge Frau, was diesem jungen Manne widerfahren ist, dass er so sprechen, so fühlen kann. Doch sie schweigt und lauscht weiter seinen Worten.
„Sie meinten vorhin, schwarz sei ihre Lieblingsfarbe. Das macht sie stark, das macht sie tapfer, aber nicht lebensfroh. Schwarz ist sehr trostlos. Keine Hoffnung, keine Liebe. Schwarz ist das Gefühl von Angst, Dunkelheit, Trauer, Bitterkeit. Ohne dieses Gefühl wären wir Menschen nicht das, was wir sind. Schwarz ist wichtig, Angst ist wichtig. Ja auch das Gefühl ist ein wichtiger Schritt, Schritt Nummer 8 auf unserer Liste. Finger, die schwarz berühren, fangen an vor Aufregung zu pochen, Schweiß rinnt hinunter. Das Herz schlägt um einen Schlag schneller. Schwarz ist das Gefühl, dass von vielen gemieden wird, weil sie es verabscheuen. Es zeichnet sie aus, dass sie es zulassen. Aber lassen sie es niemals die Oberhand gewinnen.“
Langsam setzt die Dämmerung ein, die Beiden werden wieder ruhig, dann – ein Gedanke. „Was ist ihre Lieblingsfarbe Monsieur?“, fragt die junge Frau mit einem Lächeln, wie es nur ein kleines Mädchen kann.
„Grün.“, sagt er flüsternd, kaum hörbar.
„Man hört ihnen die Bitterkeit an - der ungehaltene Frust, den sie in sich tragen. Der Ärger über das, was ihnen genommen wurde. Die Traurigkeit, es nie begreifen zu können.“, wiederholte sie seine Worte. „Sie haben sie verloren, nicht wahr? Sie haben sie verloren ihre Farben – sie mussten lernen ohne zu leben. Grün – Frische, Kühnheit, Ehrlichkeit, Natur, hab ich Recht? Das was fehlt. Das was man so deutlich riecht, was man so intensiv in der Luft schmeckt. Wobei die Finger deutlich zittern, wenn man etwas berührt, was so rein ist. Grün, das Gefühl von Leben - purem, prallen Leben, gefüllt von Schönheit und Optimismus, Ehrlichkeit und vor allem aber – Freiheit.“, sagt sie zufrieden lächelnd. „Der neunte Schritt.“
Sie dreht sich zur Seite, legt den Kopf schief, lächelt den jungen Mann freundlich an.
Er spürt die Wärme ihres Lächelns und bleibt stehen. Gedankenverloren greift er nach einem Blatt, reibt es zwischen Daumen und Zeigefinger. Stumm holt er tief Luft und atmet seine Lieblingsfarbe ein. „Ich liebe den Geruch von grün“, sagt er leise. Seine Augen blicken leer und ausdruckslos zu Boden. „Ich werde nie vergessen, was Farben wert sind, wie man alles, was man hat in vollsten Zügen genießen muss. Farben sind so etwas selbstverständliches, aber braucht es nur einen dummen Unfall, um sie für immer zu verlieren.“
„Was ist der letzte Schritt, die Zahl 10 auf der Liste?“, hört er sie fragen.
Lächelnd entfernt er sich Schritt für Schritt von ihr, dreht sich leise um und sagt: „Die Zahl 10 bleibt jedem von uns selbst überlassen. Sie haben 10 muntere Finger mit erstaunlichen Fähigkeiten, eine Gefühlswelt, wie sie nur wenige andere besitzen und eine bunte Auswahl an Farben. Suchen sie sich ihren zehnten Schritt. Suchen sie nach der Farbe, die ihre Finger für bedeutend empfinden. Suchen sie die Farbe, die für sie Leben heißt.“
Damit dreht sich der Junge Mann um, den leeren Blick in den Himmel gerichtet. In der offenen Hand das grüne Blatt. Der Wind fegt über seine Hand und übergibt das Blatt der Macht der Freiheit – hinauf zum türkisfarbenen Himmel.
Sie atmet tief ein, schaut mit leerem Blick hinauf zum Himmel, beginnt zu schmunzeln und flüstert leise: „Türkis.“
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Wenn Träume fliegen lernen
Prolog
Lange Zeit ist es her, da man jungen Generationen etwas lehrte, etwas, was älter und gefährlicher ist, als die Menschheit selbst. Man lehrte die jungen Menschen drei Dinge, die ein Mensch nur in sich selbst zu finden im Stande ist. Es sind die Gefühle, die Hoffnung und der Glaube an sich und jenes, was man erreichen möchte. Durch Zufall entdeckten sie es vor langer Zeit. Sie entdeckten, dass es starke und schwache Dinge in ihnen gab, welche von Mensch zu Mensch unterschiedlich zu sein schienen und gaben ihnen Namen, wie „Zufriedenheit“, „Freude“, „Trauer“, „Enttäuschung“ und noch viele weitere und sie entdeckten, dass wenn man an sich selbst und die, welche einem am nächsten stehen glaubt, man all dieses erreichen kann, was man in seinen Träumen so ersehnt.
Durch viele glückliche, aber auch unglückliche Zufälle kamen sie sehr weit in der Entdeckung des menschlichen Geistes und noch viele weitere Erfahrungen konnten sie von Generation zu Generation weitergeben. Sie drangen weiter und weiter in den menschlichen Geist hervor und einer alten Sage zufolge sollen sie eines Tages etwas entdeckt haben, was man nie hätte finden dürfen, was nie ein Mensch hätte erfahren dürfen, sie vergruben das unheilvolle Wissen tief in sich und versuchten zu vergessen, doch es war zu spät, denn das Wissen suchte sich seinen eigenen Weg durch Raum und Zeit. Mit der Zeit verschwand so vieles und das eine, was nie hätte in Vergessenheit geraten dürfen, ging verloren.
Es kamen weitere Generationen, doch nur noch wenige wissen etwas aus dieser Zeit, welche es Gerüchten zufolge einmal gegeben haben soll. Wenige und man sagt unter ihnen weilen sogar noch welche, die den Mut und die Kraft hatten die Zeit zu überdauern und das alte Wissen in sich tragen, das alte Wissen, des Urstammes der Menschen, das alte Wissen, welches den Menschen vor Jahrmillionen einmal erschuf und die Macht hat es auch heute noch zu zerstören.
Die Legende besagt, dass es einige wenige Menschen geben soll, die all jenes in sich tragen, was jeder Mensch wissen sollte, doch niemand weiß. Diese Menschen bestimmen unser aller Schicksal, doch keiner dieser jungen Menschen hat eine Ahnung davon, wer sie sind und was sie tief in sich tragen. Niemand von ihnen ahnt auch nur im Entferntesten etwas von all dem. Sie haben die Macht die Menschheit zu retten oder diese ins Unheil zu stürzen. Doch diese Menschen wissen NICHTS. Nein, nichts von alledem, man fragt sich bis heute, wie sie das Wissen beherrschen, wenn sie es nicht kennen, doch das Wissen sucht sich erneut seinen Weg, seinen Weg zurück ans Tageslicht und in den Geist der Menschen. Denn mit der Zeit begannen die Menschen zu träumen und mit diesem Traum beginnt unsere Reise eines Tages, so meint es die Legende.
Die Geschehnisse oder Entscheidungen im Leben eines Menschen geschehen per Zufall, durch einen ausgedachten Plan oder aber durch Träume, doch eines, eines haben sie alle gemein, sie gehören alle dem Schicksal und jeder hat eines, niemand vermag es zu ändern oder zu korrigieren, doch einige halten es in ihren eigenen Händen...
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Gedichte
Was ist los?
Du suchst meinen Blick
Und weichst ihm geschickt aus.
Du willst mich nicht sehen,
doch gehst mir nie aus dem Weg.
Du liebst mich nicht,
doch die Enttäuschung in deinen Augen,
die nicht zu übersehen ist,
existiert dennoch immer,
wenn ich jemand anderen anschaue.
Du sagst es ist vorbei
Und suchst einen neuen Anfang.
Du brichst mir mein Herz
Und zerfällst selbst.
So frag ich mich,
wieso tut dir ein
„Tut mir Leid“
Nur so schrecklich weh?!
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So schnell...
Es kann alles so furchtbar schnell vorbei sein.
Kaum hat es begonnen,
ist das Ende schon in Sicht.
Kaum hat es geendet,
denkt man an den nächsten Anfang.
Unsere Zeit...
Du und Ich...
wir denken nicht ans Morgen,
sehen das Hier und Jetzt,
und nichts darüber hinaus,
doch was wenn morgen alles vorbei ist?
Was wenn morgen alles zerbricht?
was wenn ich nie wieder sagen kann „Ich liebe dich“
und du mir nie mehr einen genervten Blick daraufhin zuwerfen kannst?
Was wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht?
Was wenn es morgen alles anders aussieht?
Was wenn du mich heute gehen lässt
Und ich morgen verschwunden bin?
Was wenn du dir heute um einen Blick zu schade warst,
den du morgen verzweifelt nachzuholen versuchst?
Was wenn du heute etwas versprichst,
was du doch morgen brichst
und heute etwas abweist,
was du morgen vermisst?
Was wenn dir morgen die Liebe fehlt,
die ich dir immer gegeben habe?!
Doch es gibt immer ein Morgen,
du hast keinen Grund dich damit zu beschäftigen,
für dich
gibt es immer ein Morgen
und immer ein nächstes Mal.
Doch denke an meine Worte,
wenn du mich nicht mehr erreichst,
wenn das „Morgen“ eingetreten ist
und du das alles bereust...
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Nie
Es ist vorbei,
die Zeit war schön.
Ich will dich nicht mehr wieder sehen.
Wir haben gelacht,
wir haben geweint.
Nun ist es aus,
aus und vorbei.
Du stehst vor meiner Tür
Und bittest mich zurückzukehren.
Du weißt ich werde es nicht tun
Und doch stehst du dort.
Du erzählst mir von deinen Schmerzen,
deinem Leid,
du kannst nicht mehr schlafen,
nicht mehr wachen,
hast Tage nichts gegessen,
wünschtest nur es wäre alles anders,
doch das ist es nicht
und das weißt du auch.
Wann es besser wird fragst du?
„Nie.“ antworte ich.
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Kalter Traum
Ich fühle mich plötzlich so einsam,
so alleingelassen.
Es ist dunkel - kalt.
Die Sonne verschwindet.
Ein kalter feuchter Nebel
verschleiert meine klare Sicht.
Du stehst dort vorn,
siehst mich an
und drehst dich weg.
Du läufst in den kalten, grauen, feuchten Nebel hinein
und ich stehe allein.
Ich höre dich lachen,
mit einem Mädchen,
ich kenne diese Stimme,
es fährt mir kalt den Rücken hinunter,
ich spüre eine dicke Gänsehaut,
mein Atem bleibt stehen,
Schweiß rinnt mir dir Stirn herunter
-Ich bin aufgewacht-
Mir ist kalt.
Was ist geschehen?
Wieso klang dieses Lachen so fremd?
Ich kannte es doch.
Wieso habe ich nur zugesehn?
Wie konnte das passieren?
Was hat das zu bedeuten?
Immernoch zittere ich vor Angst und Kälte,
denn das Lachen - das war meins...
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Gebrochenes Herz
Nun sitze ich hier...
Bin allein...
Es ist still geworden...
Noch immer warte ich heimlich darauf,
dass du zu mir zurückkehrst,
dass es vl. noch einmal so wird,
wie es einmal war.
Ich warte immernoch darauf,
dass plötzlich mein Handy klingelt
und dein Name auf dem Display steht
und alles noch einmal so wird,
wie es einmal war.
Ich träume jede Nacht davon,
dass du wieder vor mir stehst
und mich anlächelst,
wie damals
und alles noch einmal so wird,
wie es einmal war.
Jeden Tag,
wenn ich nach Hause komme,
gehe ich ins Internet,
in der Hoffnung,
dass du mir geschrieben hast
und alles noch einmal so wird,
wie es einmal war.
Doch jeden Tag den ich weiter lebe,
weiß ich,
dass es niemals wieder so werden wird,
wie es einmal war,
denn du liebst mich nicht.
Nach jeder weiteren Hoffnung
Bin ich allein.
Ich werde immer allein sein,
denn du wirst nie mehr zu mir zurückkehren.
Als du gingst,
nahmst du etwas mit dir fort.
Ich habe gehofft,
du bringst es eines Tages zurück,
doch nie habe ich es wieder gesehn,
denn sie liegen immernoch irgendwo bei dir
die Scherben meines gebrochenen Herzens
und wie damals drehst du dich weg,
läufst wieder davon
und lässt mich wieder einmal
allein.
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Weiß ich denn was Liebe ist?
Ich dachte ich liebe dich,
du mich nicht.
Doch ist Liebe nicht beidseitig?
Ich spüre diesen stechenden Schmerz,
wenn ich dich sehe.
Doch ich denke Liebe ist schön?
Ich hasse dich für das was du mir angetan hast.
Doch ist Liebe nicht das Gegenteil von Hass?
Ich würde dich am Liebsten vergessen.
Doch sollte man nicht ewig an die Liebe denken?
Will dich nie mehr wieder sehen...
Ist das nicht falsch?
Ich weine bittere Tränen.
Doch wieso schmecken diese genau wie meine Freudentränen?
Ich habe alles versucht.
Doch wieso ist es dann zu wenig?
Ich kenn dich doch gar nicht.
Ich denke man liebt nur was man kennt?
Ich hasse deine viel versprechenden Blicke.
Doch sollte einen das nicht freuen?
Ich kenne dieses Spiel
Und ich werde es auf ewig mit dir weiter führen,
wenn ich dadurch all das behalten darf,
den Schmerz und die Freude,
einfach alles,
was ich noch von dir habe...
Denn das Gefühl,
wenn Schmetterlinge in meinem Bauch umherfliegen,
wenn ich dich sehe,
lässt mich wieder träumen.
Das sind die schönen Gefühle wahrer Liebe.
Hatte ich auch diese nicht selten...
Ich hasse dich,
doch kann man nur hassen,
was man liebt,
denn dich kann nichts anderes verletzen...
Das ist das wahre Verhältnis von Hass und Liebe.
Ich hasse ja nur dich...
Ich würde dich gern vergessen,
doch kann ich es nicht.
Das ist wohl das Schicksal liebender Menschen.
Hätte dich ja längst vergessen können...
Will dich nie mehr wieder sehen,
doch würde daran zerbrechen.
Hätte längst zerbrechen können...
Ich weine meine Tränen,
die schmecken alle gleich.
Die Gefühle steuern den Sinn der Tränen,
nicht ihr Geschmack.
Weine ja nur um dich...
Ich habe alles versucht,
alles ist fehlgeschlagen
und ich stehe immernoch hier und bitte um deine Liebe.
Hätte längst verzweifeln können...
Doch du bist der,
der mich am Leben hält,
der dem ganzen immernoch einen Sinn gibt.
Vielleicht weiß ich nicht was Liebe ist,
doch dann habe ich ein Gefühl welche die Liebe mit Leichtigkeit schlägt...
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Sprüche |
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Auch in einer Träne kann sich die Sonne spiegeln.
Wir sterben viele Tode solange wir leben, der letzte ist nicht der bitterste. |
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Heute ist... |
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...
[ ] ...Montag.
[x] ...Dienstag.
[ ] ...Mittwoch.
[ ] ...Donnerstag.
[ ] ...Freitag.
[ ] ...Samstag.
[ ] ...Sonntag.
...
...der 02. September 2009.
(Letzte Bearbeitung.) |
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Ferientermine Schuljahr 2008/2009 |
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